»Wir wollen einen neuen Aufbruch im Kulturbereich«
Initiative »Unruhe stiften« ruft zu Widerstand gegen Kriegspolitik, Neonazis und sozialen Kahlschlag auf. Ein Gespräch mit Werner Lutz

Interview: Gitta Düperthal
(junge Welt vom 18.01.2010)

Werner Lutz ist Satiriker und Liedermacher in Erlangen, Personalrat im öffentlichen Dienst, bei ver.di engagiert und Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Er gehört zu den Gründern der Initiative »Unruhe stiften!«

Mehr als 800 Künstlerinnen und Künstler rufen dazu auf, im Jahr 2010 »Unruhe zu stiften«. Sie wollen, daß mehr Menschen für eine multikulturelle Gesellschaft und für Frieden einstehen und aktiv werden gegen rechts und gegen das Einfrieren von Sozialgeldern und Kulturbudgets. Sie selbst sind Mitglied der DKP. Ist die Initiative auch von Ihrer Partei?

Nein. Unter www.unruhestiften.de findet sich ein Kulturaufruf von linken Künstlerinnen und Künstlern, die sich im Sommer 2009 vernetzt haben. Seitdem versuchen wir, den Protest zu verbreitern. Da es sich bei den Initiatoren um linke Kulturschaffende handelt, ist es klar, daß darunter auch Mitglieder der Parteien Die Linke und der DKP sowie aktive Gewerkschafter sind. Uns ist es wichtig, daß diese Initiative parteiübergreifend ist.

Unterzeichner sind etwa der Liedermacher Konstantin Wecker, der Karikaturist Guido Zingerl, der Kabarettist Dietrich Kittner und der Schauspieler Peter Sodann - aber auch jede Menge Betriebsräte, Sozialpädagogen, Rentner und Hausfrauen. Da handelt es sich eher um Überlebenskünstler und Künstler, oder?

Wir waren selber überrascht, daß den Aufruf viele unterschreiben, die nicht in der Kultur aktiv sind - engagierte Gewerkschafter, Erwerbslose und auch Wissenschaftler. Offenbar gibt es das Bedürfnis nach einem solchen übergreifenden Aufruf, der eben nicht »nur« gegen Krieg oder gegen rechts ist, sondern die Probleme in einen Zusammenhang stellt.

Und ganz so beliebig ist der Kreis auch nicht. Von den mittlerweile schon 880 Unterzeichnern sind es mehr als 80 Prozent, die kulturell tätig sind. Wir wollen aber Menschen, die keine Künstler sind, nicht davon abhalten zu unterschreiben.

Aber ist die Themenvielfalt nicht sehr beliebig? Es geht vom Widerstand gegen Abschiebungen bis hin zur kulturpolitischen Kritik, daß Bühnen geschlossen und Mittel für die freie Kunstszene gekürzt werden ...

Genau diese Breite ist uns wichtig: Es ist klar, daß Künstler an ihren eigenen Laden und Job denken und dagegen angehen, was die Kahlschlagpolitik in ihrem Umfeld anrichtet. Die gleiche Politik, die in der Kommune die Hähne zudreht, steht aber auch für Massenarbeitslosigkeit und Krieg. Wir wollen diese Verbindung herstellen. Dabei ist es uns wichtig, klare Forderungen zu formulieren und nicht rumzulavieren. Die Kriegspolitik betreffend sagen wir »Raus aus Afghanistan!« Da gibt es keine Kompromißlinie oder Zeitkorridore.

Wie stellen Sie sich das »Unruhe-stiften« konkret vor?

Wir Unterzeichner sind bereit, in unserem konkreten Umfeld und bei Auftritten vor Ort zur Aktivität aufzurufen und Menschen zum Widerstand zu animieren. Dafür bürgen wir. Wir sind aber nicht nur Multiplikatoren, sondern auch selbst auf der Straße. Wir wollen einen neuen Aufbruch im Kulturbereich. Früher gab es »Künstler für den Frieden« oder »Rock gegen rechts«. In den vergangenen zehn Jahren haben sich Künstler und Kulturschaffende politisch kaum zu Wort gemeldet. Das wollen wir ändern, wir wollen Bewegung schaffen.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Vor einer Woche haben wir einen offenen Brief an den DGB und die Einzelgewerkschaften, an Sozial- und Erwerbslosenforen und die Friedensbewegung gerichtet mit der konkreten Aufforderung, in diesem Jahr mit uns Künstlerinnen, Künstlern und Kulturschaffenden gemeinsam Unruhe zu schaffen! Im Dezember haben wir kurz vor der Abstimmung im Bundestag über die Verlängerung des Bundeswehrmandats in Afghanistan darauf orientiert, daß wir uns bei allen Auftritten, Konzerten und Lesungen unmißverständlich gegen den Kriegseinsatz äußern. Das hat auch geklappt. Aktuell rufen wir außerdem dazu auf, am 13. Februar in Dresden den Neonazis entgegenzutreten und die Onlinepetition für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal zu unterzeichnen.

zurück