"Liebling, lass uns Waffen klauen!"

Es ist ruhig in Deutschland. "allergrößte bewußtheit bei null aktivität. die anlässe für den fälligen umsturz sind so zahlreich, daß es keine mehr gibt" (Ronald M. Schernikau). Kommunist in Griechenland müsste man derzeit sein! Trotz neidischer Blicke auf die dortige Unruhe müssen wir nun mal hier in Deutschland Unruhe stiften, um den Kapitalisten das Fell abzuziehen. (Tragen die eigentlich Felle?) Die KünstlerInnen-Initiative der "Unruhestifter" veranstaltete am 13.2. bereits zum zweiten Mal ein Fest in Kiel, diesmal in der Hansa 48. Das Wetter war scheußlich und eine unbestimmte Zahl an Kielern hatte sich nach Dresden aufgemacht, aber 50 "Dableiber" fanden sich ein, um ein linkes Kulturprogramm zu genießen und sich "für den fälligen umsturz" zu motivieren.

Den vitalen Auftakt machten "Bernardo und die Bauwagentussis", also Bernd Lange (E-Gitarre) mit seinen drei Mädels Ragna (14, Schlagzeug), Meral (10, Bass) und Lovis (11, Keyboard), mit Hip-Hop und Indie von den Ärzten, Fanta 4 und Fettes Brot. "Männer sind Schweine, Männer sind Ratten" könnte man als quasi antipatriarchalen Beitrag einordnen, und "Kuba" von Fettes Brot spricht einem Kommunisten aus der Seele: "Wir machen ne Revolution...Die Leute müssten einfach eines verstehen / unser kleines Problem ist dieses Schweinesystem...Liebling, lass uns Waffen klauen! / Dacht ich mir´s doch / ich brauch ne Knarre / ich brauch ne Kalaschnikow / und ne Zigarre...Ich hab so´n Bock auf Cuba libre". Der Versuch, per Handzettel Umsturzinteressierte auf dem Berliner Ku´damm zusammenzutrommeln, scheiterte allerdings kläglich: "Erzähl von dem Fiasko / bloß nichts Fidel Castro!" So gänzlich spontan funktioniert das dann doch nicht.

Ulli Stangen als Betriebsrat bei HDW gab einen Überblick über die aktuelle Situation im Betrieb (Kurzarbeit, Managernieten) und wunderte sich über die absolute Ruhe. Selbst der hochbewusste Überzeugungstäter Westerwelle schaffe es nicht, Unruhe auf der Gegenseite zu erzeugen. "das ist dann das ende jeglicher entwicklung. wenn ich nur am wochenende in mein ruhiges gärtchen darf!" (Schernikau).

Uwe Stahl und Veronika Gogolok von der Kieler attac-Musikgruppe gaben einige Stücke über Kieler Kommunalpolitik und anderes mit akustischen Gitarren zum Besten, z.B. über die Agenda 2010 ("und der Haifisch, der hat Zähne / und auch der Kapitalist"), über die fröhliche Kaperfahrt der HSH-Nordbank oder ganz allgemein: "Verkauf deinen Arsch, Hauptsache, es bringt Kohle, ob es Sinn macht oder nicht!"

Nach einer Pause berichtete Flo von der SDAJ über den Stand der Schüler- und Studentenstreiks. Die Kooperation zwischen Schülern und Studis müsse noch verbessert werden und die öffentliche Wahrnehmung und die politischen Reaktionen konzentrierten sich in letzter Zeit v.a. auf den Uni-Betrieb. Zu Unrecht, denn zumindest in Kiel sind die Studis im Vergleich zu den Schülern insgesamt noch etwas lahm in ihrer Mobilisierung. Stahl und Gogolok setzten fort mit einem schönen antiklerikalen Lied von F. J. Degenhardt (Fiesta Peruana) und über den Weberaufstand 1844 ("Fluch dem falschen Vaterlande!"). Eckhard Vogt wollte eigentlich mit Schülern ein Theaterstück über den Rendsburger Abschiebeknast spielen, aber der Schnee verhinderte die Anreise der Schauspieler. Vogt berichtete über die Situation der Häftlinge, darunter Jugendliche ohne Eltern. Sie werden wie Verbrecher behandelt, obwohl sie einfach nur ein besseres Leben ohne Misshandlung und existentielles Elend gesucht hatten.

Zum Abschluss boten "Bernardo und die Bauwagentussis" noch Lieder von Rosenstolz, der US-Punkrockband Greenday (American Idiot) und ein zur Fußball-WM passendes Stück, in dem sie zum Abfackeln aller Deutschland-Fahnen und zum Unruhestiften aufriefen: "Deutschland-Fahnen nerven" und "Deutschland vor - Eigentor!". Vorrunden-Aus als Dämpfer für Fußball-Nazis und Propagandisten der Volksgemeinschaft, die den Sport benutzen, um den Klassengegensatz zu vernebeln. Das könnte ein Lied sein, das zur Hymne der Unruhestifter taugen würde. Es war ein unterhaltsamer, abwechslungsreicher zweieinhalbstündiger Abend, der eine Fortsetzung erwarten lässt. "künstler sind nicht totzukriegen" (Schernikau).

S. H.

Bernardo und die Bauwagentussis

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